Wir leben seit einigen Wochen mit vielen Freilerner- Familien zusammen.
Und weil von skeptischen Menschen (ja, auch von mir selbst) manchmal Zweifel kommen, wie denn dieses Freie Lernen in der Realität funktioniert, möchte ich euch heute ein Beispiel zeigen.
Eine Familie besuchte das nahe gelegene “Pacs – Animal Care” Tierheim, das von Spenden lebt.
Das Erlebnis machte sofort die Runde und da die meisten Kinder ja ein sehr großes Herz für Tiere haben, entwickelte sich daraus sehr schnell ein Projekt.
Es war klar, dass die Kids Geld sammeln möchten, da “Pacs” ausschließlich von Spenden finanziert wird. Die Idee, kranke Tiere gesund zu pflegen und dann wieder zu vermitteln gefiel ihnen so gut, dass es keine Alternative gab, als zu helfen.
Von da an, automatisierte sich dieses Projekt, Kinder im Alter von 5 bis 15 beteiligten sich daran. Zuerst überlegten sie, wie sie Geld verdienen könnten, um es dann zu spenden.
Die Entscheidung fiel relativ rasch und es wurde eine Turnvorführung mit Musik am Strand geplant. Viele Menschen wurden eingeladen, bereits mit dem Hinweis, dass es sich hierbei um eine Charity – Aktion handelt.
Die Vorführung war gut besucht und im Anschluss zeigten einige Mädchen den anderen Kindern, wie man Handstand, FlicFlac & Co lernen kann. So turnte letztendlich der ganze Strand und es war ein riesen Erfolg.
Am nächsten Tag fand die legendäre Full-Moon-Party auf Koh Phangan statt. Wir Erwachsenen redeten darüber und machten Scherze, wie es wohl wäre, da hin zu gehen, wenn wir denn schon mal da sind. (Nein, wir waren dann nicht dort.)
Das schnappten die Kinder auf und beschlossen spontan, eine eigene Full-Moon-Party zu organisieren. Dafür gabs natürlich eine Menge zu tun. Erwachsene waren keine dabei und auch ich kann hier nur erahnen, wie die Organisation ablief.
Die Kinder gingen später die Runde und erzählten mit glühenden Wangen, sie würden zugunsten von Pacs eine Party organisieren. Ob wir denn kommen möchten und was wir essen und trinken wollten. Gleich danach die Frage, wie viel mir das wert wäre. Wir bestellten Obst und Gemüsesticks und gaben dafür 150 Baht.
So gingen sie reihum und sammelten Geld. Anschließend sah ich sie im Restaurant Namenskärtchen schnippseln, Gutscheine schreiben und rechnen und planen, wie sie das jetzt umsetzen. Die Älteste durfte bereits Roller fahren und so fuhr sie dann mit den Kleineren einkaufen. Natürlich alles mit Listen geplant und festgehalten.
Nachmittags sah man die Kids Gemüse und Obst schnippeln, außerdem bastelten sie Tüten, die sie mit Chips füllten. Sie organisierten ein tolles Lagerfeuer, die Musik und luden noch mehr Menschen ein.
Die Party abends war ein voller Erfolg und die Kinder überglücklich, so etwas ohne die Hilfe von Erwachsenen gestemmt zu haben.
2 Tage später war es dann endlich soweit. Wir fuhren alle gemeinsam ins Tierheim, gaben mit Freude sagenhafte 2530 Baht ab und rührten die Managerin damit zu Tränen. Natürlich wurden die Tiere bewundert und ihre tragischen Geschichten bedauert.
Unheimlich schön zu beobachten war, wie automatisch die Großen den Kleine geholfen haben. Zum Beispiel sah ich, wie eines der kleineren Kinder das Wort “Preisliste” schreiben wollte und sich unsicher war, ob die Rechtschreibung denn auch stimme. Die Großen halfen ganz selbstverständlich und das ist für mich freies lernen. Ohne Zwang, ohne, dass Erwachsene vorgeben, dies und das müsse jetzt geschehen. Niemand von uns wäre auf die Idee gekommen, zu sagen, es müsse alles richtig geschrieben sein. Und doch haben sie es selbst geschafft, in korrektem Deutsch zu schreiben.Weil es für die Kinder wichtig war, damit es auch alle lesen konnten. Das hat mich persönlich aufgrund der vielen unterschiedlichen Dialekte (wir sind Deutsche, Österreicher, Schweizer und Spanier hier) sehr beeindruckt.
Das Projekt deckt so viele Kompetenzen ab, was für mich unglaublich schön war zu sehen. Es ging über 3 Tage, in denen sich die Kinder vernetzten, besprachen, gegenseitig unterstützten. Dann kam das Basteln, Malen, Schreiben, Rechnen, Kleben und Schnippseln. Dabei wurde Musik gemacht und getanzt. Zwischendurch eine Abkühlung im Pool, Schwimmen! Die Turnvorführung einstudiert, die Spendenbox gebastelt, ständig mitgerechnet, wie viel Geld nun schon da ist und wie viel das in Euro wäre (dividiert durch 35). Einkaufen gegangen, selbständig bezahlt und mit den Einheimischen kommuniziert. Auf Englisch natürlich. Den Termin im Tierheim fixiert und den Hinweis der Managerin besprochen, warum manchen Tiere nicht angefasst werden dürfen. (Schlechte Erfahrungen).
Da steckt so unglaublich viel Lernpotential darin. Und natürliches Lernen konnte stattfinden, weil niemand von uns Erwachsenen dies beeinflusste. Ja, wir gaben Auskunft, wenn danach gefragt wurde. Aber an sich läuft dies so ab, dass sich die Kinder zuerst untereinander weiterhelfen und nur dann, wenn es wirklich niemand weiß, werden Erwachsene hinzu gezogen.
Und auch von unserer Seite wird nur so viel gegeben, wie verlangt wird. Wir nehmen ihnen nichts ab, denn das wollen sie gar nicht.
Die Motivation kam von den Kindern selbst und wurde ihnen von uns Erwachsenen nicht genommen.
Ich kenne dies aus meinem Lehreralltag sehr gut. Es kann ziemlich herausfordernd sein, nicht einzugreifen, nicht immer sofort die Antworten zu geben. Denn das was die Kinder aus eigener Motivation tun und erforschen, sich die Antworten darauf suchen, weil es sie tatsächlich interessiert, das nenne ich selbstbestimmtes Lernen. Diese Erfahrungen werden im Gehirn verankert und dieses Wissen bleibt dann auch. Gebe ich als Mutter oder eben als Lehrerin sofort die Antwort, wissen die Kids es dann zwar, es wird aber nicht gespeichert, weil sie es nur schlecht verknüpfen können.
Darum, lassen wir unseren Kindern ihre Erfahrungen selbst machen, sie in ihrem eigenen Tempo lernen und nehmen wir Erwachsene uns selbst an der Nase und üben uns in bedingungslosem Vertrauen. Unsere Kinder sind schon perfekt sind, so wie sie sind.
Meine Aufgabe sehe ich darin, sie zu begleiten und sie so wenig wie möglich zu verletzen.
Auch nicht, indem ich ihnen Dinge abnehme, weil ich es als erwachsene Frau kann und ihnen somit das Gefühl vermittle, weniger wert zu sein. Sie werden ihre Leidenschaft zu ihrer Berufung machen, und sich alles wissen, das sie dafür brauchen, suchen.
Wenn ich sie denn nur lasse….
Deine
Kerstin
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Cecile ist in dieser Turnvorführung der Hammer! Und die Kids alle mitsamt mit ihren Projekten sowieso. Und Du auch, weil Du so schön schreibst” 😉
Irene 🙂 🙂 🙂 ich danke dir von Herzen! Ja, war eine echt tolle Aktion 🙂
Dein Artikel weckt so schöne Erinnerungen in mir. Und nicht nur fürdie großen Kinder war es aufregend, auch für die Kleinen wie Miri. Sie hat sich den ganzen Tag auf ihre Chipstüte gefreut und als sie dann die Tüte mit unseren namen sah, da war die Freude riesengroß.
Liebe Dagmar, danke für dein Kommentar. Mir geht´s gerade genauso, die Erinnerungen sind im Herzen und zaubern sehr oft – einfach so – ein Lächeln ins Gesicht.